Anlaufstelle bei Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch in den Musikwissenschaften

Kontakt: machtmissbrauch@oegmw.at oder die jeweiligen Ansprechpersonen (siehe unten).

Wir verstehen uns als Wissenschaftler:innen, die sich explizit und aktiv gegen Machtmissbrauch, Grenzüberschreitungen, Mobbing und Diskriminierung jeglicher Art positionieren und für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang auf allen Ebenen eintreten.

Mit der Anlaufstelle der ÖGMw bieten wir Kolleg:innen und Studierenden im Feld und Umfeld der Musikwissenschaft Raum für streng vertrauliche Gespräche, um verletzende, übergriffige und diskriminierende Erfahrungen sowie beobachtetes unangemessenes Verhalten mitteilen zu können. Wir hören zu und nehmen Ihr Anliegen ernst. Wir beraten über relevante externe Unterstützungsangebote und begleiten, wenn gewünscht, Denk- und Handlungsprozesse.

  • Eine Kontaktaufnahme kann anonym erfolgen, ist jedenfalls freiwillig, und verpflichtet zu keinen weiteren Schritten – Sie haben die Kontrolle über den Prozess.
  • Wir handeln unabhängig von den jeweiligen Universitäten und Instituten, da wir in dieser Funktion von der ÖGMw eingesetzt sind.
  • Die Gespräche sind streng vertraulich: Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Um verbale, körperliche oder psychische Gewalt besser zu erkennen, dieser vorzubeugen und dagegen zu handeln, setzen wir uns auch innerhalb der ÖGMw im Bereich Bewusstseinsbildung und Informationssarbeit ein.

Es gibt kaum eine schwierigere Frage als jene, wo sexueller Missbrauch anfängt, oder wie sexueller Missbrauch zu definieren ist. Während in der Psychotherapie Missbrauch mit der nicht einvernehmlichen Überschreitung von Grenzen beginnt, braucht der Gesetzgeber Beweis- und Belegbares – und nicht nur für das Geschehene, sondern auch für dessen unmittelbare und entschiedene Zurückweisung durch das Opfer.

Wissenschaft ist, ähnlich wie die musikalische Praxis, ein Bereich, in dem oft auf engem Raum und unter großem Druck Höchstleistungen zu erbringen sind. Man arbeitet in Teams, nicht selten unter flachen Hierarchien, und sieht einander auch nach der Arbeit. Im Laborbetrieb, bei Exkursionen und Praktika kann die nötige Distanz oft nicht eigehalten werden und körperliche Berührungen können während der Arbeit schwer vermieden werden. Der Ton ist oft salopp und leger (und das haben wir uns seit 1968 auch mühsam erarbeitet und wollen es keineswegs ändern oder in Frage stellen!), Wortspiele und zweideutiges Geplänkel werden gerne als Ventil für Stress verwendet. Das kann sehr entspannend sein, wenn es für alle Beteiligten gleich amüsant ist und es nicht zu Grenzüberschreitungen kommt. Doch der Spaß hat sein Ende, wenn eine Person sich angegriffen oder auch nur unwohl fühlt. Wo aber ist diese „magische Grenze“ zu setzen? Wie kann man sie im Arbeitsumfeld für alle unmissverständlich sichtbar oder spürbar machen, Konsens herstellen, ohne dabei an der uns wichtigen Freude und Nonchalance einzubüßen?

Im Kontext der häufigen, nicht direkt strafrechtlich verfolgbaren sexuell motivierten Übergriffe geht es in erster Linie um Empfinden, Fühlen und Wahrnehmen – schwierig festzuhalten, zu objektivieren und für Außenstehende nachvollziehbar zu machen. Dies führt oft dazu, dass sexuelle Übergriffigkeiten nicht manifest werden, denn wie beweist man psychische Verletzungen, Demütigung, verbale Untergriffe? Anders als körperliche Verletzungen, die medizinisch begutachtet und dokumentiert werden können, sieht man erstere den Betroffenen meist nicht an, doch prägen sie nachhaltig ihr weiteres Leben und Verhalten.

Auf der anderen Seite stehen Täter:innen, denen in manchen Fällen ihre Grenzüberschreitungen gar nicht bewusst sind, und deren Fehlverhalten ihnen oft zu spät aufgezeigt wird – selbst von wohlmeinenden Freunden. Sowohl im künstlerischen Bereich wie auch in der Wissenschaft wird vielfach noch Rollenbildern und Hierarchie-Schemata gehuldigt, die sexuell konnotiertes Fehlverhalten entweder nach wie vor dulden oder beschönigen; oft liegt auch eine doppelbödige Moral zugrunde, etwa nach dem Motto: „Große Geister dürfen schon ein paar Laster haben“, oder „Das Opfer sei selber schuld, habe provoziert, hätte doch wissen müssen, dass er/sie ‚gewisse Schwächen’ habe“, und dergleichen. Man sieht zu, flüstert hinter vorgehaltener Hand, warnt vielleicht potentielle Opfer, aber weist viel zu selten die potentiellen Täter:innen präventiv in die Schranken.

Oft hört man dann Aussagen wie „Aber er/sie hat ja nichts gesagt! Ich habe da nicht mitbekommen, dass da etwas schiefgelaufen ist! Da hätte ich doch sofort reagiert!“ Und hier liegt ein Teil des Problems – die möglichst unmittelbare Artikulation der empfundenen Grenzüberschreitung, die Zurückweisung. Doch oft kommt der schale Nachgeschmack erst nach einiger Zeit, nach mehrfacher Grenzüberschreitung oder nach permanenten Anzüglichkeiten und Anspielungen. Dann gibt es nicht „die eine Tat“, die Zuordenbarkeit und juristische Klarheit gibt. Und wer ist schon gerne Opfer in einer Zeit, in der nur die Starken bewundert werden, obwohl es unglaublich viel Stärke zeigt, Übergriffe an die Öffentlichkeit zu bringen? Dazu kommt die Gefahr, sogar im Gegenzug angeklagt zu werden, prominenten Künstler:innen oder Wissenschaftler:innen „ans Bein zu pinkeln“. Täter-Opfer-Umkehr wird oftmals seitens der hierarchisch Stärkeren ins Rennen geführt, wie beispielsweise die Fälle Siegfried Mauser oder Gustav Kuhn gezeigt haben. Hier wurde offenkundig, wie wichtig Unterstützung für die Anklagenden ist, psychische und soziale Hilfestellung genauso wie institutioneller Rückhalt seitens einer geschlossen agierenden Kolleg:innenschaft.

Die echten Opfer sehen sich oftmals unverstanden und haben gar mit negativen Konsequenzen zu rechnen, wenn etwa einer öffentlichen Anklage nicht stattgegeben wird: „Teilweise seien Handlungen beschrieben, wie etwa der Versuch eines Kusses, die auch nach den heute geltenden Regelungen keine strafrechtlich relevante sexuelle Belästigung darstellen. Gewalt und Drohungen seien von niemandem behauptet worden“ (Tiroler Tageszeitung vom 13.3.2020 zur Causa Kuhn). Was nun, wenn man sexuellen Übergriffen ausgesetzt war oder ist, die solcherart abgetan werden? Wiederum: ein geschlossenes öffentliches Auftreten der Kolleg:innenschaft ist unabdingbar.

„Aber sind wir denn nicht selbst schuld?“ – hören wir von selbsternannten „Moralaposteln“. Wollten wir denn nicht die spießbürgerlichen Moralvorstellungen niedergerissen wissen, die Hierarchien verflacht haben, und in einer lockeren nonkonformistisch-libertinistischen Gesellschaft leben? Ja eben. Diese liberalen Grundsätze stehen aber keineswegs dafür, dass Sprache unangebracht übersexualisiert eingesetzt werden solle, Kolleg:innen einem körperlich zu nahe kommen dürften, oder auch berufliche Aufgaben nach überkommenen Geschlechterrollen vergeben werden sollten. Das gäbe es nicht mehr? Oh doch: „Das müssen Sie verstehen, dass das jemand anderer machen muss, das ist eine Aufgabe für richtige Männer!“, oder „Sie brauchen ja keinen Ganztagesvertrag, Sie sind ja eh verheiratet und werden versorgt!“ – Tatsächlich gehörte Zitate aus dem aktuellen wissenschaftlichen Berufsleben im 21. Jahrhundert.

Der Problemkreis ist vielfältig und vielschichtig; durch Normen und Regelwerke kann dem nur unzureichend beigekommen werden. Bei den unterschiedlichen Formen sexueller Gewalt und Missbrauchs stehen ganz persönliches Erfahren und Empfinden im Vordergrund, und dies ist individuell wahrzunehmen und zu respektieren. Um die Situation zu verbessern, Bewusstsein zu schaffen, und konkrete Unterstützung anzubieten, treten wir als Institution entschieden auf und weisen sexualisierte Übergriffe und (Cyber-)Mobbing klar zurück.

Koordination: Bernd Brabec, Elisabeth Hilscher

Anprechpersonen an diversen Institutionen, Schwerpunktthemen & Sprachen:
– Carlo Bosi, Universität Salzburg  
– Bernd Brabec, Universität Innsbruck; Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch; u.a. psychosoziale Problemstellungen  
– Anja Brunner (sie/ihr), Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; Sprachen: Englisch, Deutsch und Französisch  
– Conny Gruber (kein Pronomen, they/them, sie/ihr), Österreichische Akademie der Wissenschaften; Themenschwerpunkte: u.a. LGBTQIA+, Intersektionialität; Sprachen: Englisch, Deutsch und Französisch  
– Elisabeth Hilscher, Österreichische Akademie der Wissenschaften 
– Elisabeth Kappel, Kunstuniversität Graz  
– Andrea Lindmayr-Brandl, Universität Salzburg  
– Milijana Pavlović, Universität Innsbruck; Sprachen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Serbo-Kroatisch  
– Carolin Stahrenberg (sie/ihr), Anton Bruckner Privatuniversität Linz , Sprachen: Deutsch, Englisch.
– Günter Stummvoll (er/ihm), Universität für Weiterbildung Krems; LGBTQIA+; Sprachen: Deutsch, English  
– Alexander Wilfing, Österreichische Akademie der Wissenschaften; Sprachen: Deutsch, Englisch  

Link-Liste mit Anlaufstellen (Ergänzungen in Arbeit):

Bundesweit (Österreich)

Kärnten

Niederösterreich

Oberösterreich

Salzburg

Steiermark

Tirol

Vorarlberg

Wien

Südtirol

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